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Televised Revolutions

Wie in einer Umkehrung des Songs von Gil Scott-Heron „The Revolution Will Not Be Televised” (1970), der zu einem geflügelten Satz der nordamerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurde, erleben wir seit 1989 einen fast schon inflationären medialen Umgang mit dem Wort „Revolution“ als Benennung einzelner Ereignisse der demokratischen Systemtransformationen in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UDSSR bzw. des Warschauer Paktes.
Aktuellstes Beispiel dafür ist die als «Jeans-Revolution» bezeichnete Protestbewegung in Weißrussland gegen den autoritär regierenden Aleksandr Lukaschenko, dem im Zusammenhang mit seiner Wiederwahl am 19. März 2006 Wahlbetrug vorgeworfen wurde. Demokratische, von deren Gegnern meist als prowestlich bezeichnete Emanzipationsbewegungen werden in Anknüpfung an die Proteste von 1989 in der DDR als Revolutionen bezeichnet. Dass dabei nicht das Ereignis an sich und seine Konsequenzen, sondern der Blick darauf im Vordergrund steht, erscheint mir als entscheidend.
Die Revolution wird zu einem medialen Event, zu einer Headline – „Orangene, Friedliche, Singende Samtene oder Rosen- Revolution”.[1] Sekundär bleiben für die auf momentane Sensationen fixierten Medien jedoch jene strukturellen Fragen, die eigentlich darüber entscheiden, ob eine Veränderung als „Revolution“ bezeichnet werden kann: Dominiert nach dem Ende der Protestbewegung Umbruch oder Kontinuität? Und wohin führt, wenn es sich tatsächlich um eine „Wende“ handelt, der neue Weg? So ging in der Ukraine nur 15 Monate nach der „Orangenen Revolution“ jene Partei, gegen die revoltiert worden war, als stimmenstärkste aus Wahlen hervor. Und in Tiflis demonstrierten Anfang April 2006 mehrere tausend Oppositionsanhänger -gegen die zunehmend autoritäre Politik von Staatspräsident Michail Saakaschwili, der als Held und demokratische Hoffnung der Rosenrevolution Georgiens im November 2003 galt. “The revolution will not be televised”, ausgestrahlt wird lediglich der Wunsch, wir lebten im besten aller Systeme.

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[1 Anmerkung: Berthold] Hier fände ich super, wenn du kurz darauf eingingest, was du beim Abendessen angesprochen hast: dass nämlich die ikonenhaften Begriffe, die dann ins kollektive Gedächtnis eingehen, eben von journalisten geschaffen werden. Historischen Einschätzungen werden also mit unter von Leuten geschaffen, die möglicherweise ephimäre Erscheinungen schon deshalb als "Revolutionen" bezeichnen, weil sich mit dem Begriff einfach die Auflage steigern lässt.
 

Beitrag zur Ausstellung
De-revolution

27.4.-9.6.2006
ig-bildendekunst